Abriss in der Moltkestraße geplant Kieler Mieterverein sieht keinen Kündigungsgrund Unternehmenskonzept konterkariert die Bemühungen um soziale Durchmischung in den Stadtteilen

Kiel, den 28.09.2006

Abriss in der Moltkestraße geplant
Kieler Mieterverein sieht keinen Kündigungsgrund
Unternehmenskonzept konterkariert die Bemühungen um soziale Durchmischung in den Stadtteilen

Mit Schreiben vom 25.09.2006 wurden rund 70 Mieterhaushalte in der Moltkestraße davon überrascht, dass der Erwerber – die Frank Heimbau Nord GmbH – die Wohnanlage aus den 50er Jahren möglichst schon im April 2008 abreißen will.

Viele Mitglieder des Kieler Mietervereins haben sich daraufhin hilfesuchend an die Geschäftsstelle gewandt, die zunächst einmal Entwarnung geben konnte: Der geplante Abriss dieser Häuser ist kein Kündigungsgrund. Die insbesondere aus den ostdeutschen Bundesländern ständig wiederholte Forderung nach einer sogenannten „Abriss-Kündigung“ ist vom Gesetzgeber nicht übernommen worden. Kündigungen aus „sonstigem berechtigten Interesse“ beschränkten sich im Wesentlichen auf Plattenbauten im Osten, die wegen dramatischer Bevölkerungsverluste dauerhaft nicht mehr vermietbar waren und im Rahmen eines städtebaulichen Stadtentwicklungskonzeptes zum Abriss freigegeben waren. Und natürlich war den dort betroffenen Mietern vergleichbarer oder besserer Ersatzwohnraum angeboten worden unter Übernahme aller Umzugskosten. Für die vom BGH ausgeurteilte Maßnahme waren im Übrigen sogar Fördermittel in Höhe von ca. 270.000,00 EURO bewilligt.

Ganz anders liegen die Verhältnisse in der Moltkestraße. Der Kieler Wohnungsmarkt ist im Wesentlichen ausgeglichen. Wohnungsleerstände in Kiel sind überwiegend fluktuationsbedingt. Die Bevölkerungszahl wird auf längere Zeit stabil bleiben. Die Stadt bemüht sich unter Einsatz erheblicher Fördermittel aus den Programmen „Soziale Stadt“ und „Urban“ der Segregation in den Stadtteilen entgegen zu wirken und für gesunde Durchmischung der Bevölkerungsgruppen zu sorgen. Eine Kündigung aus „sonstigem Interesse“ kommt nach Auffassung des Kieler Mietervereins daher nicht in Betracht.

Aber auch eine Kündigung wegen „Hinderung an der wirtschaftlichen Verwertung“ greift nach Auffassung des Mietervereins nicht durch. Das Unternehmen hat die Anlage gerade erst gekauft. Es wusste, was es kauft und kannte den Kaufpreis. Wenn es zu teuer eingekauft hat, dann ist dies Sache des Unternehmens oder anders ausgedrückt: Unternehmerische Fehlentscheidungen berechtigten nicht zur Kündigung.

Der Kieler Mieterverein hat Kenntnis davon, dass es etliche zeitlich befristete Verträge gibt. Die Wirksamkeitsvoraussetzungen für Zeitmietverträge sind indessen sehr streng. Derartige Befristungen sind keineswegs immer wirksam. Der Kieler Mieterverein empfiehlt daher dringend die Wirksamkeit einer derartigen Befristung zu hinterfragen. Den Mietern in der Moltkestraße ist der Besuch eines Maklers angekündigt worden, der für sie „passende Lösungen“ verhandeln soll. In diesem Zusammenhang warnt der Kieler Mieterverein davor, dass Mieter bei derartigen Gesprächen strategisch in der schlechteren Position sind; der Makler betreibt derartige Geschäfte professionell, Mieter werden mit derartigen Fragen wohl nur alle 7 bis 10 Jahre befasst. Sie sollten sich ebenfalls fachkundiger Hilfe bedienen.

Aber auch die Maßnahme als solche trifft auf heftige Kritik des Kieler Mietervereins. Einmal mehr zeigen sich die negativen Folgen des Verkaufes großer Wohnungsbestände. Und immer ist es der preiswerte Wohnraum, der dabei unter die Räder kommt:

Zahllose ehemalige Neue-Heimat-Wohnungen im ganzen Kieler Stadtgebiet: Abgewirtschaftet und verlottert.

140 preiswerte ehemalige KWG-Wohnungen in Wellingdorf: In die Luft gesprengt.

Ehemalige KWG-Wohnungen in Friedrichsort: Dem Vandalismus verfallen.

LEG-Wohnungen in der Moltkestraße: Für die Abrissbirne vorgesehen.

Auf der anderen Seite sind in Kiel 36.000 Menschen auf Transferleistungen angewiesen. Diese und andere Aspekte wird der Kieler Mieterverein im Rahmen einer Informationsveranstaltung, die voraussichtlich am Montag, den 02.10.2006, um 19.00 Uhr, stattfinden wird, mit den betroffenen Haushalten erörtern.

Verantwortlich: Jochen Kiersch, Kiel