Ärger auf Sylt Eichel-Truppe langt zu

Kiel, den 12.01.2001

Ärger auf Sylt
Eichel-Truppe langt zu

In seinem Bestreben, den Bundeshaushalt zu sanieren, agiert Deutschland´s oberster Kassenwart, Bundesfinanzminister Hans Eichel, in bester Spekulantenmanier. Während im Deutschen Bundestag darüber beraten wird, die Kappungsgrenze für Mieterhöhungen von derzeit 30 Prozent auf 20 Prozent herabzusetzen, zieht der Bundesfinanzminister, vertreten durch das Bundesvermögensamt, in List auf Sylt noch schnell 30 Prozent Mieterhöhung ab.

Dabei sind die betroffenen Häuser vom Bund so vernachlässigt worden, dass sie – im wahrsten Sinne des Wortes – beginnen zusammenzubrechen. Was Vertreter der Mieterorganisation dort gesehen haben reiht sich problemlos in das ein, was die übelsten Spekulanten herzeigen. Es wurden vorgefunden:

  • Schimmelpilz vom Keller bis zum Dach
  • ein zerzaustes Reetdach unterhalb dessen das Regenwasser mit Plastikplanen aufgefangen werden muss
  • eine durchfeuchtete Wohnzimmerwand, die von außen gerissen und ausgewaschen und bei der der Schimmelpilz innen im Wohnzimmer mit großen blauen Plastikplanen überklebt war
  • eine Küchendecke, deren 2,5 cm starke Putzschicht in voller Ausdehnung abgestürzt ist,

um nur die gravierendsten Beanstandungen aufzulisten. Nicht einmal die Berichterstattung auf N3 und im Focus hat das Bundesvermögensamt zu verschärftem Tempo in Sachen Mängelbeseitigung veranlaßt. Sofortmaßnahmen des Kieler Mietervereins:
Da der Bund sich nicht rührt, müssen die Mängel im Wege der Ersatzvornahme behoben, Mietminderungs- und Schadensersatzansprüche geltend gemacht und die anfallenden Kosten gegen die Mieten aufgerechnet werden. Die Maßnahmen werden – im Rahmen des möglichen – zur Zeit umgesetzt.

Der Kieler Mieterverein kritisiert besonders: Die Beamten des Bundesfinanzministers sind offenbar nicht in der Lage, den Wohnungsbestand des Bundes interessengerecht und pfleglich zu verwalten. Anders ist jedenfalls nicht zu erklären, dass die betroffene Bausubstanz rapide verfällt und die Mieter reihenweise beeinträchtigt werden. Vor diesem Hintergrund tue der Bundesfinanzminister gut daran sich eine private Firma zur Verwaltung seines Wohnungsbestandes zu suchen. Schlimmer als es jetzt ist könne es nicht werden. Billiger werde es jedoch allemale.

In diesem Zusammenhang äußert der Kieler Mieterverein die Befürchtung, daß die anstehende Schließung weiterer Bundeswehrstandorte in Schleswig-Holstein vergleichbare Probleme auch anderenorts nach sich ziehen werde. Die bisherigen Erfahrungen hätten gezeigt, dass – vergleichbar den Konversionsverhandlungen mit den Kommunen – der Bund bei der Veräußerung seines Wohnungsbestandes nicht zimperlich sei. Nach der Devise „vergammeln lassen, Mieten rauf, verscheuern“ werde erwartungsgemäß nicht nur auf Sylt verfahren. Dabei fordere der Bund regelmäßig Höchstpreise.

Der Kieler Mieterverein fordert den Bundesfinanzminister auf, die Veräußerung von Wohnungsbeständen zur Chefsache zu machen und dafür zu sorgen, dass unvermeidbare Verkäufe rücksichtsvoll und verträglich abgewickelt werden. Vorrangig sollten die Wohnungsbestände den Kommunen oder großen Wohnungsbaugesellschaften zu angemessenen Preisen angeboten werden. Wenn diese nicht interessiert seien komme auch eine Veräußerung an interessierte Mieter in Betracht. Erst zu allerletzt und nur sehr eingeschränkt dürfe darüber nachgedacht werden, an Dritte zu veräußern, damit genau das vermieden werde, was sich auf Sylt bereits abzeichnet. Dort wird nämlich die in den Bundeswohnungen lebende einheimische Bevölkerung zukzessive verdrängt.

Bei alledem fordert der Kieler Mieterverein den Bundesfinanzminister auf, im Veräußerungsfalle auch bei der Preisgestaltung mehr Fingerspitzengefühl zu zeigen. Kaufpreise von weit über 1 Mio. DM für die rotten Lister Häuser seien einfach unanständig. Die dort lebende Bevölkerung habe überhaupt keine Chance zu diesen Konditionen einzusteigen. Millionärsghettos gebe es auf Sylt schon genug.

Verantwortlich: Jochen Kiersch, Kiel