Das Urteil des Monats: Vorgetäuschte Eigenbedarfskündigung – Vermieter muß Schadensersatz zahlen

Kiel, den 10.12.97

Das Urteil des Monats:
Vorgetäuschte Eigenbedarfskündigung – Vermieter muß Schadensersatz zahlen

Mit einem erfreulich eindeutigen Urteil hat das Amtsgericht Kiel zwei Eheleute als Vermieter zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von DM 2.470,00 zzgl. Zinsen verurteilt (Amtsgericht Kiel – 110 C 616/96 – vom 07.05.1997). Das Vermieterehepaar hatte dem klagenden Mieterehepaar wegen angeblichen Eigenbedarfes gekündigt, die Wohnung aber nach dem Auszug der Mieter anderweitig weitervermietet.

Die Auseinandersetzung selber lief nach einem geradezu klassischen Muster ab; das Mieterehepaar wohnte seit 1985 in der strittigen Wohnung, die im Jahre 1994 von dem beklagten Vermieterehepaar erworben wurde. Mit anwaltlicher Hilfe wurde schon im Jahre 1995 die fristgerechte Kündigung der Wohnung wegen angeblichen Eigenbedarfes der Tochter der Vermieter gekündigt, da diese nur eine 1-Zimmer-Wohnung bewohne. Daraufhin suchten sich die gekündigten Mieter eine neue Wohnung, kündigten ihrerseits „unfristgemäß“ und zogen aus. Nach dem Auszug vermieteten die Vermieter die Wohnung anderweitig neu. Die Tochter zog nicht ein. Zur Rechenschaft gezogen haben sich die Vermieter damit verteidigt, zu dem früheren Beendigungszeitpunkt durch die Mieter hätte die Tochter die Wohnung noch nicht übernehmen können. Ein 3-monatiger Mietausfall sei aber unzumutbar gewesen. Auf nähere Nachfrage des Gerichtes, weswegen die Wohnung zu dem Zeitpunkt, zu dem die Vermieter gekündigt haben, dringend benötigt werde, 4 Monate früher aber nicht übernommen werden konnte, haben sich die Vermieter nicht substantiiert geäußert.

 

Das Gericht hat daher unmißverständlich festgestellt, daß der Eigenbedarf entweder bei der Kündigung bereits vorgetäuscht wurde, oder daß jedenfalls der spätere Wegfall der Kündigungsgründe pflichtwidrig nicht mitgeteilt worden ist. Daraus leitet das Amtsgericht in Übereinstimmung mit der dazu ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung einen Schadensersatzanspruch ab, bei dem die Vermieterseite noch glimpflich davon gekommen ist, weil die Mieter den Umzug im wesentlichen in Eigenarbeit bewerkstelligt haben. Der größte Einzelposten im Schadensersatzanspruch war noch die Maklercourtage für die neue Wohnung, die sich auf deutlich über DM 2.000,00 belief. Es hätte also „wesentlich dicker“ kommen können, wenn z.B. ein größerer Hausstand durch eine Spedition hätte befördert werden müssen.

Der Kieler Mieterverein verbindet die Veröffentlichung dieses Urteils mit der Aufforderung an alle Mieter, die den Verdacht haben, Opfer einer vorgetäuschten Eigenbedarfskündigung zu

sein, ruhig etwas gründlicher nachzuforschen, weswegen von dem Eigendarf plötzlich nicht mehr die Rede ist und wie sich die zeitlichen Abläufe gestaltet haben. Dies gilt um so mehr, als die Rechtsprechung unmißverständlich auf dem Standpunkt steht, daß der vorzeitige Wegfall von Eigenbedarfsgründen dem Mieter sofort mitgeteilt werden muß. Sollte sich im Einzelfall der Verdacht auf eine rechtswidrige Kündigung verstärken, so kann es durchaus sinnvoll sein, eine Schadensersatzklage einzureichen. Daneben kann es nach Auffassung des Kieler Mietervereins durchaus prüfenswert sein, ob nicht eine vorgetäuschte Eigenbedarfskündigung womöglich sogar ein Fall für den Staatsanwalt ist; immerhin wird im Falle der Neuvermietung meistens ein höherer Mietzins vereinbart und liegt bei vielen Eigenbedarfskündigungen der Verdacht nahe, daß sie nur dem Zweck dienen, eine Neuvermietung mit einer höheren Miete durchzusetzen. Eine derartige Praxis nennt der Kieler Mieterverein schlicht kriminell.

Verantwortlich: Jochen Kiersch, Kiel