Obergrenzen bei Sozialmieten: Kieler Mieterverein empfiehlt Zurückhaltung
Kiel, den 18.01.2007
Obergrenzen bei Sozialmieten:
Kieler Mieterverein empfiehlt Zurückhaltung
Die Forderung der Arbeitsgemeinschaft schleswig-holsteinischer Wohnungsunternehmen, die Obergrenzen der Bruttomieten anzuheben, hält der Kieler Mieterverein nur in sehr engen Grenzen für gerechtfertigt. Nach Erfahrungen des Kieler Mietervereins aus Tausenden von Betriebskostenabrechnungen ist die unternehmerische Wohnungswirtschaft am drastischen Anstieg der Betriebskosten kräftig beteiligt. Hier einige Beispiele:
Gerade und vorrangig die unternehmerische Wohnungswirtschaft hat in erheblichem Umfang und quasi in letzter Minute vor der Einführung des digitalen terrestrischen Fernsehens (DVB-T) Kabelverträge mit langen Laufzeiten neu abgeschlossen, obwohl hier ein beträchtliches Einsparpotential gelegen hätte, da die alten Antennenanlagen die DVB-T-Signale in aller Regel problemlos übertragen haben. Um die Antenneninstandhaltung einzusparen, die der Vermieter hätte bezahlen müssen, sind diese Kosten via Kabelverträge auf die Mieter abgewälzt worden.
Bei den Hauswartskosten fragen sich die Mieter in der Stadt, was die Hauswarte der unternehmerischen Wohnungswirtschaft überhaupt noch zu tun haben. Typische Hauswartsleistungen wie das Schneefegen, die Treppenhausreinigung, die Reinigung von Außenanlagen, die Gartenpflege, das Herausstellen der Mülltonnen und viele andere Dinge mehr werden von Fremdfirmen erledigt, so dass für die Hauswarte nichts mehr übrig bleibt. Und tatsächlich: In ungezählten Fällen sind die Hauswarte in Wahrheit die verlängerten Arme der Hausverwaltung und erbringen Leistungen, wie das Bestellen und Beaufsichtigen von Handwerkern, das Austragen von Vermieterpost, das Abhalten von Sprechstunden vor Ort, die Übergabe und Abnahme von Wohnungen und vieles andere mehr. Dies alles sind Verwaltungsleistungen, die der Vermieter bezahlen muss, aber als Hauswartskosten deklariert häufig in Betriebskostenabrechnungen einstellt.
Z.B. die Fahrstuhlkosten: Kraft Gesetzes ist der Vermieter – sofern im Mietvertrag vereinbart – berechtigt, die Fahrstuhlbetriebskosten auf den Mieter umzulegen. Hinsichtlich der echten Wartungskosten ist dies unstreitig. Viele Unternehmen haben jedoch sogenannte „Vollwartungsverträge“ abgeschlossen, die sämtliche Reparaturen beinhalten. Nach Einschätzung des Kieler Mietervereins belaufen sich die Reparaturkostenanteile auf ca. 50 Prozent der Kosten für derartige Vollwartungsverträge. Der Betriebskostenabrechnung sieht man dies nicht an, man merkt es aber an der Höhe der Fahrstuhlkosten. Diese wären um die Reparaturkostenanteile des Vollwartungsvertrages zu kürzen.
Beispiel Heizkostenabrechnung: Die unternehmerische Wohnungswirtschaft schließt in großem Umfang neue Verträge mit den Heizkostenabrechnungsunternehmen ab, die die Abrechnungskosten in abenteuerliche Höhe treiben. Dabei leisten die herkömmlichen Verdunstungssysteme durchaus ihren Dienst und sind nach Einschätzung des Kieler Mietervereins in 90 Prozent aller Mietwohnungen problemlos einsetzbar.
Statt dessen werden allenthalben digitale und Fernablesesysteme neu eingeführt, die einen Großteil der Kosteneinsparung durch Wärmedämmmaßnahmen wieder zunichte machen. Heizkostenabrechnungen, bei denen die Abrechnungskosten mit 30 Prozent und mehr zu Buche schlagen, sind bei der unternehmerischen Wohnungswirtschaft keine Seltenheit mehr. Nach Auffassung des Kieler Mietervereins jedenfalls sollten die dem Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen angehörigen Vermieter vorrangig eigene Kostendämpfungsmaßnahmen auf den Weg bringen, bevor sie nach mehr Geld von der Stadt rufen.
Der Kieler Mieterverein tritt auch der Vergleichsberechnung der Wohnungswirtschaft zwischen den Betriebskostenübersichten der Landeshauptstadt und der Mieterorganisation entgegen. Der vom DMB für Schleswig-Holstein veröffentlichte Betriebskostenspiegel fußt auf den ausgewerteten Betriebskostenabrechnungen des Jahres 2004. Die Daten des Kieler Mietspiegels gehen auf eine Erhebung im Frühjahr 2006 mit Betriebskosten aus 2005 zurück. Diese unterschiedlichen Datengrundlagen zu vergleichen ist nicht seriös. Aber auch die Summen aller Betriebskosten lassen sich nicht seriös vergleichen. Man kann nicht so tun, als ob ein Haus ohne Fahrstuhl genauso hohe Betriebskosten hätte, wie das mit einem oder mehreren Fahrstühlen.
Das Argument der Wohnungswirtschaft, die Kostenobergrenzen förderten die Entwicklung sozialer Brennpunkte, ist allerdings nach Auffassung des Mietervereins zum Teil zutreffend. Weil unter den Bedingungen des entspannten Wohnungsmarktes die schlechtesten Wohnungen auch die billigsten sind, können diese Wohnungen in der Regel sofort bezogen werden. Schlechte Wohnungen befinden sich in einem schlechten Umfeld, haben eine hohe Fluktuation und können keine Bindung zwischen Mietern und ihrer Umgebung herstellen. Deswegen kann eine maßvolle Anhebung der Obergrenzen sinnvoll sein.
Die Stadt ist nach Auffassung des Kieler Mietervereins aber gut beraten, ein sehr scharfes Auge auf die Höhe der Betriebskosten zu haben. Deswegen sollte neben einer Obergrenze bei der Nettomiete auch eine Obergrenze bei den Betriebskosten eingeführt werden, um Unternehmen auszuschließen, die mit überhöhten Betriebskosten daherkommen. Das ist gar nicht so schwer, weil die Stadt hierfür ein tolles Instrument hat: Für die Berechnung einer Obergrenze bei der Nettomiete gibt es den Kieler Mietspiegel, der gerade neu aufgelegt worden ist. Der Mittelwert des Mietspiegels könnte eine gute Obergrenze sein. Und auch bei den Betriebskosten sollte die Stadt keine Probleme haben: Der Kieler Mieterverein hat immer darauf gedrängt, Betriebskosten mit zu erheben. Dies zahlt sich auch aus. Nur mit diesem Instrument sind Mieter (aber auch Sozialamt und Jobcenter) in der Lage zu beurteilen, ob die Betriebskosten einer bestimmten Liegenschaft überhöht sind oder nicht.
Fazit des Mietervereins aus der Forderung der Wohnungswirtschaft: Die großen Wohnungsbaugesellschaften sind ausnahmslos in der Hand von Finanzinvestoren, die Rendite machen wollen. Hier zeigen sich deutlich die Folgen des Ausverkaufes schleswig-holsteinischer Wohnungsunternehmen. Der Kieler Mieterverein bietet der Stadt jede Unterstützung an, um dem ungebremsten Anstieg bei Mieten und Betriebskosten entgegen zu wirken. Allerdings müsse auch die Stadt hierzu beitragen z.B. durch äußerste Zurückhaltung bei dem Anstieg öffentlicher Gebühren.
Verantwortlich: Jochen Kiersch, Kiel