Kiel, den 24.05.2011
Schon in einer Pressemitteilung vom 02.11.2004 hat der Kieler Mieterverein rabiates Auftreten der Stadtwerke Kiel AG gegenüber ihren Kunden kritisiert. Tenor damals: Mangelhafte Heizkostenabrechnungen, unberechtigte Androhung von Liefersperren, Einstellung der Stromversorgung bei Streit um Raumwärmerechnungen. In persönlichen Gesprächen nach dem damaligen Streit haben Vertreter der Stadtwerke Besserung gelobt.
Allzu lange haben die Versprechungen der Stadtwerkeverantwortlichen nicht gehalten. In einer weiteren Pressemitteilung vom 26.11.2009 musste der Kieler Mieterverein erneut die rabiate Mahnpraxis der Stadtwerke kritisieren. In mehreren Fällen haben sich Mitglieder beim Mieterverein beschwert, denen wegen kleinster Beträge, die angeblich rückständig waren, Liefersperren angedroht wurden. In erneuten Gesprächen haben die Stadtwerke wiederum angekündigt Sie würden Ihre Mahnpraxis ändern. Das Ergebnis dieser Versprechungen konnte der Kieler Mieterverein in jüngerer Zeit besichtigen.
Wegen eines angeblichen aber strittigen Rückstandes aus einer Abschlagsforderung in Höhe von 35,50 € einschließlich unberechtigter Mahngebühren in Höhe von 2,50 € wurde einer alten Dame in der Nettelbeckstraße angedroht „den zuständigen Netzbetreiber mit der Einstellung der Versorgung (zu) beauftragen…“ für die Einstellung sowie die Wiederherstellung der Versorgung teilen die Stadtwerke mit, dass je nach Aufwand Kosten zwischen 80 € und 300 € zuzüglich Umsatzsteuer von der alten Dame zu zahlen sind. Das Gemeine daran: die alte Dame wurde durch den Kieler Mieterverein vertreten. Dieser hatte die Tatsache beanstandet, dass die Forderung der Stadtwerke wegen vieler Ungereimtheiten nicht fällig war. Am Ende haben die Stadtwerke „aus Kulanz und ohne Anerkennung einer Rechtsverpflichtung“ sogar noch 30 € erstattet, die Mahngebühr ausgebucht und eingeräumt, „dass Sperrankündigungen bei geringen Forderungsbeträgen zu Verärgerung führen können.“ Was für eine Untertreibung! Entsprechende Hinweise auf diese Verärgerungen wollen die Stadtwerke schon mehrmals an ihre Fachabteilung weitergegeben haben. „Uns wurde zugesichert, eine Änderung vorzunehmen“, so das neuerliche Gelöbnis der Stadtwerke. Vorangegangen war ein ähnlicher Streit mit einer Familie aus der Helsinkistraße. Eine strittige Heizkostenforderung wurde durch den Mieterverein bearbeitet. Dies hat das Unternehmen nicht gehindert, zwischendurch wieder eine Sperrankündigung loszulassen mit den schon bekannten 80 € bis 300 € (zuzüglich MwSt.) für die bei einer Sperrung nötigen Arbeiten. Eine inhaltliche Stellungnahme der Stadtwerke steht immer noch aus.
Aktuell gibt es vergleichbare Fälle in der Lüdemannstraße und der Kirchhofallee. Ohne Rücksicht auf den laufenden Schriftverkehr und eigene Fehler drohen die Stadtwerke ihre bekannten Liefersperren an.
Der Kieler Mieterverein geht dabei von einer hohen Dunkelziffer vergleichbarer Fälle aus. Für die betroffenen Haushalte besonders ärgerlich: Dem Schriftverkehr des Mietervereins waren in der Regel mehrere Telefonanrufe der betroffenen Haushalte im Callcenter der Stadtwerke vorangegangen. Stereotype Antwort der Mitarbeiter dort: „Machen Sie sich keine Gedanken – wir kümmern uns darum…“.
Der Kieler Mieterverein kritisiert diese Praxis der Stadtwerke als verbraucherfeindlich und unangemessen. Dies gilt in besonderem Maße für Sperrankündigungen aus Fernwärmestreitigkeiten. In diesen Fällen kann die Fernwärmeversorgung für eine einzelne Wohnung gar nicht abgestellt werden und soll die Drohung wohl auf die Stromversorgung abzielen. Die Stromversorgung dürfen die Stadtwerke aber nur einstellen, wenn schuldhaft gegen den Liefervertrag verstoßen wurde z. B. durch Stromentnahme unter Umgehung des Zählers oder wenn ein Zahlungsverzug von wenigstens 100 Euro vorliegt. Bei der Berechnung dieses Betrages bleiben aber nicht titulierte Forderungen außer Betracht, die form- und fristgerecht sowie schlüssig begründet beanstandet worden sind.
Der Kieler Mieterverein hat von jeher die Auffassung vertreten, dass es eigentlich sinnvoll ist, den lokalen Energieversorger zu unterstützen, um den großen Konzernen etwas entgegenzusetzen. Von dieser Einschätzung rückt der Kieler Mieterverein inzwischen ab. Nach seiner Einschätzung unterscheidet sich das Geschäftsgebaren der Stadtwerke Kiel AG nicht wesentlich, von dem anderer großer Anbieter, die wegen rabiaten Geschäftsgebarens ebenfalls in der Kritik stehen. Nach Meinung des LG Kiel vermittelt die Bezeichnung „Stadtwerke“ unterschwellig den Eindruck eines Betriebes der kommunalen Daseinsvorsorge, der zwar kostendeckend, aber nicht gewinnorientiert arbeitet, stets zuverlässig um das Wohl seiner Kunden, also seiner Bürger bemüht ist und sich durch Solidität, Zuverlässigkeit und eine gesicherte wirtschaftliche Existenz auszeichnet. Dazu meint der Kieler Mieterverein: Es dient bestimmt nicht dem Wohl der Kunden, sie unbegründet mit der Androhung von Liefersperren und damit verbundenen, unverhältnismäßig hohen Kosten des Abklemmens und des Wiederanschlusses zu drangsalieren.
Verantwortlich: Jochen Kiersch, Kiel