Umplanungen in Meimersdorf Kieler Mieterverein kritisiert kurzfristige Planungsperspektiven

Kiel, den 03.12.2002

Umplanungen in Meimersdorf
Kieler Mieterverein kritisiert kurzfristige Planungsperspektiven

Der plötzliche Sinneswandel der Landeshauptstadt Kiel für die Planungen im Meimersdorf trifft auf die Kritik des Kieler Mietervereins. Nach dessen Auffassung sind die wenigen Baulandreserven der Stadt zu schade, um sie flächenfressend im Einfamilienhausbau zu verschwenden.

Er tritt vorrangig für eine Senkung der Wohnkostenbelastung ein, vorzugsweise mit Hilfe einer gegebenenfalls neu zu gründenden kommunalen Wohnungsbaugesellschaft. Diese sollte auch nach städtischen Vorgaben für spürbare Wohnumfeldverbesserungen vorrangig in den besonders benachteiligten Stadtteilen Mettenhof und Gaarden verantwortlich sein. Dies ist zu flankieren mit einer Senkung der kommunalen Gebühren bei Wasser, Abwasser und Müll, um den Kostendruck der Bevölkerung zu entlasten.

Zwar unterstützt der Verein die Bemühungen der Stadt, die Bevölkerungszahl zu stabilisieren oder wieder zu erhöhen – er hält aber den Weg über die vermehrte Ausweisung von Einfamilienhaus-Bauplätzen innerhalb der Stadtgrenzen für falsch. Anknüpfungspunkt für die Überlegungen des Kieler Mietervereins ist das Ergebnis einer Untersuchung aus dem Jahre 2001, mit dem die Stadt den Ursachen der Stadtflucht nachgegangen ist. Ein wesentliches Ergebnis dieser Untersuchung war die Feststellung, dass von 2.300 ins Umland verzogenen Haushalten nur 500, entsprechend knapp 22 Prozent, Wohneigentum erworben haben. 1.750 Haushalte, entsprechend rund 76 Prozent, wohnen auch nach ihrem Wegzug aus Kiel in Mietobjekten. Die Eigentumsbildung hat also beim Wegzug aus Kiel nur nachrangiges Interesse. Vor diesem Hintergrund spielen die von den Befragten genannten Wegzugsgründe eine wesentlich stärkere Rolle. So hat die Untersuchung der Stadt ergeben, dass 56 Prozent der Befragten aus beruflichen Gründen weggezogen sind – diesem Phänomen ist mit den Mitteln der Wohnungsbauplanung nicht zu begegnen. Bei den weiteren Wegzugsgründen spielen die Wohnflächenvergrößerung, die Wohnkosten und das Wohnumfeld eine besondere Rolle. Die Wohnflächenvergrößerung wiederum ist letztlich doch nur eine Frage der Wohnkosten, wenn man im Umland für das gleiche Geld mehr Wohnfläche bekommen kann.

Damit zieht der Kieler Mieterverein aus der städtischen Untersuchung das Fazit, dass Wohnkostenbelastung und Wohnumfeld die Stellschrauben sind, mit denen die Wohnzufriedenheit verbessert werden kann. Dabei richtet sich das Interesse natürlich vorrangig auf Stadtteile wie Mettenhof und Gaarden. Aus diesem Grunde hatte der Kieler Mieterverein schon frühzeitig verlangt, dass die (damals noch stadteigene) Kieler Wohnungsbaugesellschaft ihr Mietgefüge senkt, um den zunehmenden Leerständen entgegen zu wirken (Pressemitteilung vom 26.08.1998 – www.kieler-mieterverein.de -> Öffentlichkeitsarbeit). Nach Auffassung des Kieler Mietervereins wäre auch die Kieler Wohnungsbaugesellschaft in kommunaler Trägerschaft die berufene Institution gewesen, um Wohnumfeldverbesserungen in den Stadtteilen, in denen die KWG besonders stark vertreten ist – nämlich Gaarden und Mettenhof – voranzutreiben. An dieser Einschätzung hat sich nichts geändert; Oberbürgermeister Gansel und sein Kandidat für die Nachfolge Fenske haben das wichtige Instrument KWG aus der Hand gegeben, so dass es nach Auffassung des Mietervereins konsequent wäre, eine neue kommunale Wohnungsbaugesellschaft zu gründen und sie auch mit Stadtentwicklungsaufgaben zu betrauen.

Wichtig wäre allerdings, dass eine derartige Wohnungsbaugesellschaft sehr viel stärker den Vorgaben der Stadt zu folgen hat, als dies die damalige KWG musste.

In diesem Zusammenhang weist der Kieler Mieterverein darauf hin, dass die enorme Nachfrage nach Einfamilienhaus-Bauplätzen vorläufig ihr Ende gefunden haben dürfte; wurde im Jahre 1999 landesweit noch 11.447 Bauanträge für Ein- und Zweifamilienhäuser genehmigt, so ist diese Zahl im Jahre 2001 bereits auf 7.403 Wohneinheiten geschrumpft, entsprechend einem Rückgang um 35 Prozent binnen zwei Jahren. Die geplanten drastischen Kürzungen beim Eigenheimzulagengesetz werden die Nachfrage erwartungsgemäß weiter kräftig einbrechen lassen. Auch aus diesem Grunde hält der Kieler Mieterverein die Planungsänderung für die falsche Maßnahme zum falschen Zeitpunkt.

Ein Übriges kommt hinzu: Die Landeshauptstadt Kiel hat – etwa im Gegensatz zu Lübeck – vergleichsweise wenige für die Wohnungsbebauung geeignete Flächen; diese sollten nicht für den flächenfressenden Einfamilienhausbau verschwendet werden, sondern als Baulandreserve für zukünftige Wachstumspotentiale der Stadt vorgehalten werden. Dabei ist es nichts neues, dass urbanes Wohnen vorrangig durch Wohnen in Verdichtungsräumen und Wohnen im Geschosswohnungsbau bestimmt wird. Die Attraktivität des Gustav-Schatz-Hofes, der Mercatorwiese und des Brauereiviertels beweisen, dass diese Wohnform nachgefragt wird und Zukunft hat. Dabei unterstützt der Kieler Mieterverein durchaus das Bestreben, kleinere Wohnkomplexe in größere Freiflächen einzubetten. Dennoch ist seines Erachtens in der Stadt dem Geschosswohnungsbau absolute Priorität einzuräumen. Dies schließt nicht aus, dass mit einem Anteil von ca. 20 Prozent bei der Ausweisung von Neubauflächen auch Eigenheimbauplätze ausgewiesen werden. Für Familien mit Kindern ist das Wohnen im Eigenheim, wenn es wirtschaftlich darstellbar ist, die optimale Alternative.

Diese Überlegungen dürfen aber nicht von kurzfristigen Marktbewegungen abhängig gemacht werden. Wohnungsbau rechnet mit Zeitläufen von 100 Jahren. Kurzfristige Marktveränderungen, wie sie zwischen 1994 und dem Jahre 2002 eingetreten sind, bieten dafür keine geeignete Planungsgrundlage. Wenn die Stadt an ihren Überlegungen festhalten will, auch mehr Flächen für Eigenheime bereit zu stellen, dann sollte sie nach Auffassung des Kieler Mietervereins den Konsens mit den Umlandgemeinden suchen und möglicherweise durch Gebietstausch oder kommunale Kooperationen über den Rathausturm hinaus schauen. Auch eine kommunale Gebietsreform, die ansatzweise schon diskutiert wird, könnte das Strukturproblem der Landeshauptstadt Kiel langfristig lösen helfen.

Verantwortlich: Jochen Kiersch, Kiel